Ein Schritt zu weit by Doughty Louise

Ein Schritt zu weit by Doughty Louise

Autor:Doughty, Louise [Doughty, Louise]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Krimi/Thriller
Herausgeber: C. Bertelsmann
veröffentlicht: 2014-05-18T22:00:00+00:00


13

Die Intensität der Farbe Blau, die der Himmel im Monat Mai hat, übertrifft bei Weitem alles, was uns für den Rest des Jahres geboten wird. Dann gibt der Sommer alles, was er aufzubieten hat, wie um zu demonstrieren, worauf es eigentlich ankommt: ein tiefes, undurchdringliches Blau. Im Juni gibt es mehr Mischmasch: verhangener Himmel, Regenschauer. Dann fällt es uns wieder ein, ach ja, der britische Sommer, so ist er halt. So ein Mist aber auch! Warum wohnen wir bloß auf dieser feuchten Insel? Der Juli ist unberechenbar, das macht er extra. Er lässt uns gern spüren, dass er sich so oder so entscheiden kann, je nach Lust und Laune. Die meiste Zeit ertragen wir es stoisch, aber dann wird immer mal wieder ein glühend heißer Tag zwischengeschoben, um uns ein Fünkchen trügerische Hoffnung zu machen. Im August setzt so etwas wie kollektive Tapferkeit ein. Am Feiertag peitscht Regen nieder, aber wir sind Briten, wir werden damit fertig. Wir haben nie etwas anderes erwartet. Die falschen Hoffnungen des Juli, der verhangene Junihimmel, selbst der klare, tiefblaue Mai – von nichts haben wir uns täuschen lassen, nicht eine Minute.

Es war ein langer Sommer, Liebster.

Ich gebe mir Mühe, mehr aus dem Haus zu kommen. Ich gehe öfter ins Beaufort als nötig, schließlich fängt meine Vollzeitstelle erst im September an. Meine Kollegin Claire, deren Mutterschaftsvertretung ich übernehme, erwartet Zwillinge und ist mächtig in die Breite gegangen. Wenn sie im Institut durch die Flure geht, machen die Leute einen weiten Bogen um sie, als fürchteten sie, die Wehen auszulösen, sobald sie an sie stoßen, wie bei einer Autoalarmanlage.

London ist eine Stadt mit über acht Millionen Einwohnern. In diesem Sommer wimmelt es darin nur so von Menschen, aber für mich ist sie leer ohne dich. Guy und ich sind weit hinaus an den Stadtrand gezogen, um dem Gedrängel zu entkommen, doch alle unsere Fahrten führen uns ins Zentrum zurück, wie von einem Magneten angezogene Eisenspäne. Wer am Stadtrand wohnt, bekommt viel mehr von der Stadt zu sehen als alle, die mitten drin wohnen. Man fährt täglich hindurch.

Unser Bahnhof ist eine Endhaltestelle. »Bei einer Endstation hat man nur ein Problem«, sagte Susannah, als wir herzogen: »Da ist Endstation.« Mit der U-Bahn Richtung Innenstadt fahre ich eine halbe Stunde über der Erde und betrachte die dicht bebauten, ausufernden Vororte, die jedes Mal vorüberziehen, die Häuserrückseiten zu den Bahngleisen, Wäsche an der Leine, Kinder und Hunde in den handtuchgroßen Gärten dahinter. All diese Millionen von Menschen, was soll ich mit ihnen, wenn keiner von ihnen du bist? Zu meiner Erleichterung fährt die Bahn ab Finchley Road unter der Erde weiter. Die Einwohner schrumpfen auf die Passagiere in meinem Wagen zusammen, und ich weiß schon, dass du keiner von ihnen bist.

Wonach genau verzehre ich mich eigentlich? Wir hatten so wenig Zeit miteinander, und ich bin viel zu traumatisiert, als dass mir der Sex fehlen würde. Mir fehlt, wie du dich auf mich konzentriert hast, wie das Leuchten deiner Aufmerksamkeit einen undurchdringlichen Schutzwall um mich zu errichten schien. Mir fehlt die Person, die ich mit dir zusammen war.



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